Kiki Krämer: Hieronymus im Gehäuse -oder- Das Böse

Umgang mit Horizontverschiebungen - das Bedürfnis nach Orientierung


Hieronymus im Gehäuse
(...) Das Bild stellt einen mittelalterlichen Gelehrten dar, der inmitten seiner Bücher neben einer Lichtquelle wie in einer zweiten Haut sitzt. Die Wirklichkeit ist draußen, hat in dieser Höhle keine Wirkung.

Der Gelehrte exzerpiert Bücher (feste Gewohnheit), er fügt Kommentare ein (Sicherheit der Veränderung). Manchmal schreibt er bis zu 24 seiner Kommentierungen nebeneinander. Die eine ist nicht falsch, weil die andere richtig ist. Er tut das für sich und die Bücher, innengeleitet.

(Wenn Theodor W. Adorno davon spricht, daß der Theoretiker Nachrichten einer Flaschenpost anvertraut, von der er nicht wissen kann, an welchen Strand sie gespült wird, und ob überhaupt jemand Empfänger der Nachricht sein wird und sagt, diese Frage berühre ihn nicht, so verhält er sich wie Hieronymus.)

In dieser Grundstellung liegt das Vertrauenswürdige in der Ungestörtheit; sie bildet eine enge Zelle, ist wirklichkeitsabweisend. Die Sicherheit liegt im Motiv und in der Berührung mit der für Hieronymus prüfbaren Vertrauenswürdigkeit der bereits niedergelegten Arbeit des toten Denkens, an das er immer wieder lebendige Zellen anfügt, die sich gegenseitig so wenig stören wie die wirklichen Gewaltverhältnisse des Außen ihn, den Gelehrten. Er orientiert sich introvertiert.

Aus Holtzmanns Eröffnungsbilanz zum 21. Jahrhundert:
'Das Böse wiegt 61%, das Gute 26%, der Rest ist Schwund.[...]'