"you can smell the bodies"


Verena Hamm, Hannover - you can smell the bodies/2001

Rauminstallation auf 24m2; 60 Feinstaubmasken, Text, schwarze Folie, Lichtquelle 


"Dass die Ereignisse, diese Selbst und nicht nur Nachrichten über sie, dass Fußballmatches, Gottesdienste, Atomexplosionen uns besuchen, dass der Berg zum Propheten, die Welt zum Menschen statt er zu ihr kommt, das ist (...) die eigentlich umwälzende Leistung, die Radio und TV gebracht haben."
(aus: Kursbuch Medien-Kultur)

Die Quelle der aktuellen Arbeit von Verena Hamm ist die Medienrealität.
"You can smell the bodies" ist situationsbezogen und steht in direktem Zusammenhang zu den Ereignissen am 11. September 2001 in New York City.
Eine kritische Auseinandersetzung mit Informationen aus jüngster Zeit, der Allgegenwärtigkeit der Medien und ihren Auswirkungen auf die Wahrnehmungsweisen der Gesellschaft.
Hierbei nimmt die "Unterhaltungsmaschine" TV eine zentrale Bedeutung ein. Verena Hamm greift eine durch sie in Umlauf gebrachte Information auf, abstrahiert sie und verschiebt ihren Kontext.

Der Betrachter betritt den abgedunkelten Raum durch ein Netz aus Atemschutzmasken.
Im Gegensatz zu "Die Ereignisse kommen zu uns, nicht wir zu ihnen." (Günther Andres) wird man sofort durch, fast gespenstische, Berührung aktiv einbezogen.
Der Raum wirkt wie eine Isolierstation, in dem das Ich des Betrachters ganz auf sich selbst und seine Wahrnehmung zurückgeworfen wird.

Auf einem mit schwarzen (Müll)-Säcken ausgelegten Boden liegen in symmetrischer Ordnung 60 Staubschutzmasken. Materialien, im Alltag gefunden, aus unmittelbarer Umgebung des Ereignisses.
Hier wirken sie wie Totenmasken auf einem friedhofsartigen Feld. Wie am laufenden Band sind an den Wänden einzelne Blätter mit Buchstaben angebracht.
Schwarz auf Weiß, eine Alltäglichkeit im Mediengeschäft, ergeben sie die Aussage eines New Yorker Feuerwehrmannes: "You can smell the bodies".
Was bedeutet body noch, außer Körper? Toter Körper - Leiche. "Man kann die Leichen riechen" - fast erscheint einem der Text hörbar, so oft wurde er uns in den Tagen der Aufräumarbeiten auf "ground zero" vom TV in die eigenen vier Wände gebracht.
Begleitet von Bildern arbeitender Menschen in Staub und Dreck, die hilflos versuchen ihren Körper durch das Tragen von Masken vor Gestank und Krankheit zu schützen.         Und die ganze Welt schaut zu. Wie grotesk ist die Medienberichterstattung? In wie weit arbeitet sie mit den Mitteln der Synästhesie?

"(...) Fernsehen ist ein Genuß fürs Auge, ein wundervolles Schauspiel, das an einem Sendetag Tausende von Bilder verströmt." (Postman)

Die durchschnittliche Länge einer Kameraeinstellung beträgt nur 3,5 Sekunden, so dass das Auge nie zur Ruhe kommt, stets etwas Neues zu sehen bekommt.
In der Rauminstallation allerdings herrscht Ruhe, Statik - Stillstand. Keine untermalende Musik, die dem Publikum zu verstehen gibt, welchen Gefühlen es nachgehen soll.
Die anmutende Kargheit der Installation als bewusste Distanzierung vom Entertainment.

Zeit für ästhetische Erfahrung.
Die ästhetische Erfahrung vermag, anders als bei logischen, historischen und zweckbestimmten Erfahrungen, im Subjekt Empfindungen und Wahrnehmungen angesichts von sinnlich - symbolischen Werken hervorzurufen und einen Reflexionsprozess in Gang zu setzen.
Und genau diese Prozesse fehlen in einer Welt, die zu uns kommt statt wir zu ihr, in der wir es nicht nötig haben, eigens zu ihr hinzufahren. In dieser Welt ist dasjenige, was wir bisher "Erfahrung" genannt haben, fast überflüssig geworden.

Hamm absorbiert in ihrem Beitrag für body/check Aktualität und Alltag. 

Körper, Wahrnehmung und Raum stehen am Anfang und Ende ihrer Arbeiten und unerschöpflichen Neugier.

(Astrid Hamm, GalerieRieRiemann)


Verena Hamm (*1972) lebt und arbeitet in Hannover.

1995 - 2000 Universität Hannover, Lehramt Grund- und Hauptschule

- Mitglied der Fachschaft Kunst, sowie der AG Ästhetische Bildung,     Tätigkeit als studentische Hilfskraft in den Bereichen Kunst und Textiles Gestalten, Tutorin im Fachpraktikum Kunst

1. Examensarbeit im Fach Kunst

 " Darstellung, Reflexion und Einordnung eigener ästhetischer Arbeiten in der Landschaft im Hinblick auf den Aktionsbereich der Land-Art"

2. Examensarbeit im Fach Kunst

" Spu(e)ren entdecken - Grundschulkinder be-greifen Max Ernst im ästhetischen Prozess"

Gastvorträge an der Universität Hannover zum Thema " Kunstprozesse im Transfer"

Seit August 2001 arbeitet Verena Hamm als Lehrerin an der HOS Burgbergschule Gehrden.

 

Ausstellungen:

Oktober 1999 

Mitgestaltung und Betreuung einer didaktischen Ausstellung zum Thema "Kunst als Aktion", Universität Hannover

1999

 24-Stunden- Ausstellung "Luna-Luna", Installation "the first step", GalerieRieRiemann Leipzig

2001

 24-Stunden-Ausstellung "Sieben", Bodeninstallation "Augen-Blicke aus sieben Jahren", GalerieRieRiemann Leipzig

In Vorbereitung:

Land-Art Projekt für die Expo Schweiz, 2002


Verena Hamm                                                       Email: vhamm@web.de

 www.erz.uni-hannover.de/~koethen/Prostud/Landart/v_hamm/verena.htm  

 

 

Stand: 14.12.2001 19:11 +0100